Die ungarische Sprache (Ungarisch, magyar nyelv) gehört zum ugrischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen innerhalb der uralischen Sprachfamilie.
Verbreitung:
Namensgebung und Verwandtschaftsbezeichnungen
Im Ungarischen wird zwischen der älteren und jüngeren Schwester (nővér/húg) bzw. zwischen dem älteren und jüngeren Bruder (báty/öcs) unterschieden. Die Verwandtschaftsbezeichnungen néni (Tante) und bácsi (Onkel) werden den Namen nachgestellt: Anni néni, Józsi bácsi. Nicht nur Verwandte, auch Bekannte werden von Kindern so angesprochen. Im Kindergarten und in der Grundschule ist es ebenfalls üblich, dass die Kinder die Pädagogen mit néni oder bácsi ansprechen: Zsuzsa néni, Feri bácsi. Eine Kurzform von bácsi ist bá in der Kombination mit dem Taufnamen, diese Form verwenden fast ausschließlich heranwachsende Jungen, wenn sie eine ihnen nahe stehenden männlichen Bezugsperson – z. B. einen Fußballtrainer – anreden: Józsi bá. Diese Anredeform wird zwar mit der Sie-Form verwendet, drückt aber ein familiäreres Verhältnis aus. In den höheren Schulen lautet die Anredeform „Familienname + tanár úr/tanárnő“: Kovács tanár úr, Kiss tanárnő oder einfach tanár úr / tanárnő.
Bei der Namensgebung wird zuerst der Familienname und erst dann der Vorname genannt (utónév oder keresztnév) Dass eine Frau verheiratet ist, wird oft durch Anfügen der Endung -né an den Nach- oder Familiennamen des Ehemannes angedeutet: Kovács Józsefné (die Frau des József Kovács). Die Kurzform (eine offiziell klingende Anredeform) lautet Kovácsné (Frau Kovács). Während bis zu den 90er Jahren diese Namensgebung sehr verbreitet war – es war lange Zeit die einzige Möglichkeit –, ist eine Tendenz zu beobachten, dass Frauen nach der Eheschließung entweder den Mädchennamen behalten oder andere Formen bevorzugen (wenn z. B. Anna Kiss József Kovács heiratet, sind folgende Formen möglich: Kovácsné Kiss Anna, Kovács Anna, Kovács-Kiss Anna). Männer redet man mit úr an: Kovács úr. In den Jahren des Kommunismus war noch die Anredeform elvtárs und elvtársnő (Genosse und Genossin) üblich: Kovács elvtárs.
Begrüßungen und Anredeformen
Die Begrüßungen und Anredeformen weisen in der ungarischen Sprache eine besondere Vielfalt auf. Einige Begrüßungsformen sind noch Relikte aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, z. B. die Form Kezét csókolom oder Csókolom (Küss die Hand). Während diese Begrüßung ursprünglich Respekt gegenüber (oft älteren) Damen ausdrückte, ist sie zur Zeit vor allem bei Kindern verbreitet, die ihre erwachsenen Bekannten so begrüßen. Diese Begrüßung wird allerdings problematisch, wenn junge Mädchen heranwachsen und den Nachbarn immer noch mit Csókolom begrüßen – der diese Begrüßung mit der gleichen Formel erwidert. Die offizielle Begrüßung Jó reggelt/napot/estét (kívánok) (Guten Morgen/Tag/Abend) klingt oft distanziert, eine reduzierte und nicht sehr höfliche Variante ist Kívánok. Csókolom kann als Füllwort auch Abschätzung gegenüber (für dumm gehaltenen) Frauen ausdrücken, ähnlich wie das in solchen Situationen im österreichischen Deutsch verwendete an und für sich höfliche „Gnä’ Frau“: Olajat kell cserélni, csókolom (Sie müssen Öl wechseln, gnä’ Frau).
Jugendliche und Freunde begrüßen einander mit szia, szervusz oder heló (kann sowohl beim Treffen als auch beim Abschied gesagt werden). Csá, cső oder csáó verwendet man beim Abschiednehmen. Die offizielle Formel für den Abschied ist Viszontlátásra (Auf Wiedersehen) oder am Telefon/im Rundfunk Viszonthallásra (Auf Wiederhören). Junge Leute benutzen aber auch die Kurzform Viszlát.
Vielfältige Höflichkeitsformen
Im Ungarischen gibt es mehrere Höflichkeitsformen. Für das deutsche „Sie“ gibt es zwei nicht ganz gleichwertige Entsprechungen: Ön (Pl. Önök) und maga (Pl. maguk), wobei das Ön besonders im offiziellen Leben (in den Medien, in der Politik, in den Geschäften – besonders in den größeren Städten) verwendet wird, das Maga ist umgangssprachlicher und familiärer. Nach Ön und maga wird die 3. Person Singular verwendet, nach Önök/maguk die 3. Person Plural. Das Personalpronomen wird aber oft weggelassen, man kann einen auch nur mit der 3. Person (Singular oder Plural, je nachdem, wie viele Personen angesprochen werden) ansprechen. Ön klingt offizieller, maga vertraulicher.
Kinder verwenden älteren Personen gegenüber die umständliche tetszik-Form mit Infinitiv, das sind ungefähr die Personen, die sie mit Csókolom begrüßen: Le tetszik ülni? (Möchten Sie sich setzen?). Tetszik (wörtlich „gefallen“) kann man auch in der Mehrzahl sowie in allen Tempora und Modi verwenden: Le tetszett ülni? Le tetszett volna ülni? (mit nahezu gleicher Bedeutung).
In Ungarn gibt es die Tendenz, dass das Duzen immer mehr in Vordergrund rückt, oft wird man in den Geschäften geduzt, besonders junge Leute von gleichaltrigem Personal. Mittlerweile duzen immer mehr Kinder ihre Erzieher/innen und Lehrer/innen. Bis zu den 60er Jahren war es vor allem auf dem Lande noch üblich, dass man die Eltern und Großeltern siezte. Um die Jahrhundertwende (19./20. Jh.) siezten sich sogar Eheleute. Auch heute hört man noch oft, dass die Schwiegereltern gesiezt werden. Oft werden (ältere) Eltern oder Schwiegereltern zusätzlich zur Sie-Form mit anyuka und apuka (Mütterchen und Väterchen) angesprochen.
Schimpfen auf Ungarisch
Das Ungarische ist reich an Schimpfwörtern, die teilweise sehr derb sind und mittlerweile unabhängig von Alter, Geschlecht und Gesellschaftsschicht fast überall verwendet werden. Einige Schimpfwörter (Verben in Imperativform, die z. B. den Geschlechtsverkehr beschreiben) werden als Füllwörter oder zum nachdrücklichen Unterstreichen der Aussage verwendet. Es gibt auch derbe Substantive (z. B. ein Ausdruck für Prostituierte (kurva), der ein slawisches Lehnwort ist), die zur Steigerung von Adjektiven verwendet werden. Oft ist die Mutter des Beschimpften Bestandteil des Ausdrucks (anyád – „deine Mutter“; das Verb, das solches Schimpfen bezeichnet, ist anyázni) – ähnliche Phrasen findet man auch in den slawischen Sprachen. Auch diverse Synonyme für Homosexuelle (buzi) werden einfach als Schimpfwörter verwendet. Eine besonders beleidigende Beschimpfung ist es, wenn man den anderen wortwörtlich übersetzt zurück in seine Mutter schicken will. Ein äquivalenter Ausdruck für die Antwort “keine Ahnung / keinen Schimmer” im Deutschen wäre etwa tudja faszom (wörtlich “mein Schwanz weiß es”).
Es gibt aber Euphemismen, die statt Schimpfwörtern verwendet werden und nicht derb sind, aber ähnlich wie die Schimpfwörter klingen: z. B. banyek und basszuskulcs (wörtlich „Bassschlüssel“), bakker und vazzeg für die Ausdrücke mit dem verbreitetsten Verb für Geschlechtsverkehr (baszni), das mit einer ähnlichen Silbe anfängt.